Ensembles & Performer
4 und 2 Fragen an REINHARD KAMMLER und VINZENZ LÖFFEL
Im Rahmen des musica viva Wochenendes (6.-8. Juli) wird with lilies white, eine Fantasie für Orchester mit Stimmen von Matthias Pintscher zur Aufführung gebracht. Besetzt sind 3 Sopranstimmen sowie ein Knabensopran. Reinhard Kammler, Domkapellmeister der Augsburger Domsingknaben und Vinzenz Löffel, Solist der Augsburger Domsingknaben, schildern Ihre Arbeit und Eindrücke während der Phase der Einstudierung des Knabensopranparts.
musica viva: Wir freuen uns sehr, dass Sie den Auftrag angenommen haben, einen Knabensopran einzustudieren für das Orchesterwerk von Matthias Pintscher with lilies white. Was hat Sie dazu bewogen, am Projekt teilzunehmen?
Reinhard Kammler: Seit Jahrzehnten arbeite ich mit den verschiedenen Klassikabteilungen des Bayerischen Rundfunks erfolgreich zusammen und stelle auf Anfrage immer wieder meine Augsburger Domsingknaben oder einzelne Knabensolisten für die stets interessanten und attraktiven BR-Produktionen zur Verfügung. So habe ich auch dieses Projekt sehr gerne zugesagt, zumal ich nicht zum ersten Mal in der legendären Reihe „musica viva“ mitwirke.
musica viva: Wie muss man sich die Einstudierungsphase vorstellen?
Reinhard Kammler: Zunächst verschaffe ich jedem Sänger auch bei Standardwerken in der Sologesangsstunde erst einen Gesamteindruck über die neu einzustudierende Partie, um das Interesse daran zu wecken und zu motivieren. In diesem speziellen Fall war das Kennenlernen der Partitur „with lilies white“ für Vinzenz etwas ganz besonderes und ungewohntes. Ausgangspunkt beim Einstudieren war der Mittelteil der Partie. Hier präsentiert der Komponist das thematisierte englische Madrigal – instrumental hochinteressant bearbeitet – für die Knabenstimme gesanglich nahezu ideal. Die tonal und rhythmisch weiterführenden Passagen kamen dann hinzu. Hochinteressant gestaltete sich auch die Beschäftigung mit dem deklamierten, gesprochenem Wort, das entsprechend artikuliert werden muss.
musica viva: Sind die Vorbereitungen andere als bei der Einstudierung „klassischer“ Literatur?
Reinhard Kammler: Hohe und höchste musikalische, gesangstechnische und mentale Anforderungen stellen sich bei der Interpretation von Literatur jeder Epoche und Stilrichtung, auch für einen Knabensolisten. Selbstverständlich ist zeitgenössische, avantgardistische Vokalmusik beim Kennenlernen zunächst sperriger und anstrengender, sie erschließt sich aber zunehmend schlüssiger und erweitert in Studium und Aufführung garantiert nicht nur den musikalischen Horizont.
musica viva: Nach welchen Kriterien haben Sie den Knabensopran ausgewählt?
Reinhard Kammler: So eine Wahl fällt nach pädagogischen und menschlichen Gesichtspunkten immer schwer, Alle Buben im Ensemble des Kammerchores der Augsburger Domsingknaben beschäftigen sich solistisch mit ihrer Singstimme und haben ihre Qualitäten. Aber nicht jeder ist für jede Partie musikalisch und stimmlich geeignet. Überlegungen zur zeitlichen und mentalen Belastbarkeit oder zum evtl. schon nahenden Stimmbruch kommen hinzu. Eine derartige Partie wie „with lilies white“ sollte darüber hinaus von einem Knabensolisten gestaltet werden, der idealerweise bereits über einige prominente Konzert- und Opernerfahrung verfügt.
musica viva: Vinzenz, Du bist Mitglied der Augsburger Domsingknaben. Könntest Du uns Deinen musikalischen Alltag dort beschreiben?
Vinzenz Löffel: Während der Woche verbringe ich zwei Nachmittage im Haus St. Ambrosius der Augsburger Domsingknaben. Hierzu muss man wissen, dass das Haus St. Ambrosius kein Internat ist und wir Domsingknaben alle unterschiedliche Schulen in der Stadt oder auch im Umland besuchen und zu Hause wohnen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen stehen verschiedene musikalische Aktivitäten wie Literatursingen, Chorprobe und Instrumentalunterricht – ich habe Klavier belegt – auf dem Programm. Am meisten freue ich mich aber auf die Einzelstimmbildung. Die verbleibende Zeit zwischen den musikalischen Aktivitäten nutze ich meist zur Erledigung von Hausaufgaben in unserem Studiersaal, in dem eine Präfektin stets mit Rat und Tat zur Verfügung steht. Wenn mal nichts zu erledigen ist, spiele ich gern Tischtennis in unserem Spielekeller. Das Singen im Dom ist natürlich fester Bestandteil unseres musikalischen Alltags, der aber auch von von Konzertereignissen bestimmt wird, die uns auch regelmäßig ins Ausland führen. Höhepunkte in unserem musikalischen Jahreskreis sind die regelmäßigen Aufführungen des Weihnachtsoratoriums sowie einer Bach´schen Passion. Die Einstudierung dieser Werke und dabei insbesondere der Knabensoli, die wir alle aus unseren Reihen bestreiten, bereitet mir sehr viel Freude.
So macht mir meine musikalische Ausbildung bei den Augsburger Domsingknaben seit meinem fünften Lebensjahr viel Spaß. Ein besonderes Highlight ist es für mich auch, wenn ich immer wieder einmal mit einer Knabenpartie bei einer Opernproduktion dabei sein darf. Nicht zu vergessen ist natürlich auch die Mitwirkung bei großen Konzertereignissen wie etwa Mahler III unter Haitink im vergangen Jahr. Die vielfältige musikalische Tätigkeit bei den Augsburger Domsingknaben im Chor und als Solist möchte ich unter keinen Umständen missen.
musica viva: Wenn Du sein solch modernes Werk wie von Matthias Pintscher in Deiner Gesangsstunde kennenlernst, welche Gefühle und Eindrücke begleiten Dich?
Vinzenz Löffel: Vielleicht gerade aufgrund der vielfältigen Musikstücke, die wir bei den Augsburger Domsingknaben pflegen, war ich von diesem modernen Werk von vornherein begeistert. Der Sprechgesang, den ich bei der Probenarbeit kennengelernt habe, fasziniert mich wegen seines geheimnisvollen Charakters. Bei der Modernität des Werks war ich eher erstaunt über den harmonischen Teil, den ich aufgrund seiner gleichzeitigen Schlichtheit und Aussagekraft schätze. Während der Probenarbeit hat mich aber vor allem die Vorfreude auf den Auftritt begleitet. Besonders ergreift mich stets der markdurchringende hohe Ton in Takt 310. Ich hoffe, vor allem auch damit das Publikum zu berühren.
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