
Im räsonanz – Stifterkonzert am 28. September im Prinzregententheater München ist das Orquestra Sinfónica do Porto Casa da Música mit seinem künstlerischen Leiter Stefan Blunier zu Gast. Auf dem Programm stehen Ruf von Emanuel Nunes und – unter Mitwirkung des Arditti Quartet – Helmut Lachenmanns Tanzsuite mit Deutschlandlied. Bernd Künzig über das Orquestra Sinfónica do Porto Casa da Música, das seit 2006 in dem ikonischen Konzerthaus des Architekten Rem Koolhaas beheimatet ist. Architektur und Klangkörper haben gleichermaßen internationale Strahlkraft.
Die zeitgenössische Musik Portugals hat natürlich nicht erst seit der Nelkenrevolution 1974 und dem Ende der faschistischen Diktatur Salazars ihre Geschichte. Allerdings musste Emmanuel Nunes, der vielleicht bedeutendste Komponist Portugals im 20. Jahrhundert, sein Kompositionsstudium im europäischen Norden absolvieren und zog aus gutem Grund 1964 nach Paris. Der Frankreich-Aufenthalt war prägend für ihn. Aber in Portugal sollte ein Komponist wie Nunes eine künstlerische Heimat nicht nur bei Institutionen wie der Gulbenkian-Stiftung in Lissabon finden, sondern auch in Porto mit der »Casa da Música« – ein außergewöhnliches Projekt der jüngeren Architekturgeschichte Europas, das durch die 1999 erfolgte Ernennung Portos zur »Europäischen Kulturhauptstadt 2001« befördert wurde.

2001 wurde das vom Stararchitekten Rem Kohlhaas in Form eines Kristalls oder einer offenen Arche konzipierte Gebäude eröffnet, ein spektakuläres Zentrum, das auch der neuen Musik ein Forum bietet nach Vorbild der Pariser »Cité de la Musique«. Dass dieses Gebäude errichtet wurde, war jedoch nicht nur architektonisch ein besonderes Ereignis, sondern es war auch eine bis heute wirksame zielgerichtete Investition in die Zukunft der europäischen Kunstmusik. Das Haus beherbergt nicht nur einen großen und einen kleinen Konzertsaal mit ausgezeichneten akustischen Voraussetzungen und flexiblen Möglichkeiten der Raumnutzung, sondern auch die Garderoben für die Musker*innen, eine exzellent geführte Kantine und Gastronomie, Räume für die Administration und Produktion, Arbeitsplätze und Tagungsräume.
Den eigentlich musikalischen Kern aber bilden die drei Klangkörperformationen, die an der Casa da Música ihre Heimstatt haben: Das ist erstens das Orquestra Barroco, das auf die historisch informierte Aufführungspraxis der älteren Musikgeschichte fokussiert ist; zweitens arbeitet dort das 2000 gegründete Remix-Ensemble, dass sich der zeitgenössischen Musik in ihrer ganzen Breite und Vielfalt widmet; und drittens ist es seit 2006 die Residenz des Orquestra Sinfónica do Porto, des übergreifenden orchestralen Klangkörpers mit der Pflege, der Interpretation und Entwicklung der europäischen Orchesterkultur im weitesten Sinne.
Das Sinfonieorchester ist allerdings älter als die Casa da Música. Denn es wurde bereits 1947 gegründet, damals als Symphonieorchester des Konservatoriums in Porto. Unter verschiedenen Namen wurde das Orchester danach geführt, als es unter anderem die Aufgaben des aufgelösten Rundfunkorchesters übernahm. Die zeitgenössische Musik hat dabei eine große Rolle gespielt, letztlich natürlich auch durch die Aufenthalte von Komponisten unserer Gegenwart in der Casa da Música, die eng mit dem Orchester zusammengearbeitet haben. Die Liste liest sich wie das »Who is who« der zeitgenössischen Musik: allen voran der Portugiese Emmanuel Nunes, gefolgt von Jonathan Harvey, Kaija Saariaho, Magnus Lindberg, Pascal Dusapin, Luca Francesconi, Unsuk Chin, Peter Eötvös, Helmut Lachenmann, Georges Aperghis, Heinz Holliger, Harrison Birtwistle, Georg Friedrich Haas, Jörg Widmann, Philippe Manoury, Rebecca Saunders und Enno Poppe. Zahlreiche Gastspiele haben das Orchester ins Ausland geführt. Aber es ist selbstredend als Sinfonieorchester keine Spezialistenformation des Neuen, denn das Fundament bildet die große sinfonische Tradition von Beethoven über Mahler und Bruckner, Schostakowitsch und Prokofiev und selbst ein alle Orchesterkräfte fordernder Operneinakter wie Richard Strauss’ Elektra steht auf dem Programm. Seit 2021 leitet der Dirigent Stefan Blunier das Orchester.
Das Orquestra Sinfónica do Porto Casa da Música ist mit seinem Konzerthaus zu einem der bedeutenden Player im europäischen Musikleben geworden. Nicht nur ist die Casa da Música Mitglied der European Concert Hall Organisation (ECHO), sondern auch gesuchter Kooperationspartner bei internationalen Kompositionsaufträgen und herausfordernden Projekten der Musik des 21. Jahrhunderts. So ist die Casa da Música seit vielen Jahren auch enger Partner bei Kompositionsaufträgen der musica viva des Bayerischen Rundfunks. Und in der neuen Spielzeit 2024/25 verdanken sich die Aufträge an Liza Lim und Philippe Manoury dieser gewachsenen besonderen Zusammenarbeit.

räsonanz – Stifterkonzert I der Ernst von Siemens Musikstiftung
Orquestra Sinfónica do Porto Casa da Música & Arditti Quartet mit Stefan Blunier
Werke von Emmanuel Nunes und Helmut Lachenmann
Samstag, 28. September 2024
20 Uhr, Prinzregententheater, München
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Am 28. September gibt das Orquestra Sinfónica do Porto Casa da Música in München sein Debüt bei der musica viva des Bayerischen Rundfunks, wo es unter der Leitung seines derzeitigen Chefdirigenten Stefan Blunier Werke von Emmanuel Nunes und Helmut Lachenmann aufführen wird. Anlässlich dieses Konzerts führte der Musikkritiker Paco Yáñez ein Interview mit António Jorge Pacheco, dem Künstlerischen Leiter der Casa da Música in Porto. (Interview in Englischer Sprache)

Der Cellist Lucas Fels gehört seit 2006 zum weltweit renommierten Arditti Quartet, das inzwischen auf sein 50-jähriges Bestehen zurückblicken kann. Aus diesem Anlass präsentiert die musica viva am 29. September in der Allerheiligenhofkirche ein Streichquartett-Programm mit Werken von Sarah Nemtsov, Helmut Lachenmann und – in memoriam – Wolfgang Rihm, der sein 5. Streichquartett 1981 dem Arditti Quartet widmete. Im Gespräch mit Julian Kämper spricht Lucas Fels über Repräsentation, Repertoire und Reflexionen.