Ensembles & Performer

Interview mit Götz Schumacher

14.11.18 | Martin Wilkening

Am 14. Dezember 2018 spielt das GrauSchumacher Piano Duo sowohl die "Dialoge" mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Brad Lubman als auch die "Monologe" von Bernd Alois Zimmermann sowie weitere Werke von Claude Debussy in der anschließenden Late Night. Martin Wilkening sprach mit Götz Schumacher über die Werke.

Martin Wilkening: Bei den Werken Ihres Soloprogramms handelt es sich um Fassungen bzw. Bearbeitungen für zwei Klaviere. In welchem Verhältnis stehen diese zu den entsprechenden Orchesterwerken?

Götz Schumacher: Den Stücken von Ravel und Debussy ist gemeinsam, dass sie Übertragungen von Orchesterwerken sind. […] Es sind hier aber drei unterschiedliche Herangehensweisen, die Orchesterfarben auf die Klaviere zu übertragen. Schon wenn man sich das Notenbild anschaut, ist das „Prélude à l‘après-midi“ sehr sparsam gesetzt. […] Ravel dagegen hat Debussys „Nocturnes“ unglaublich pianistisch übertragen, und manchmal schnellere Bewegungen gesetzt, als im Orchester waren, um die Farben und Bewegungen, die das Orchester anders darstellen kann, auf das Klavier zu übertragen. Und die „Monologe“ wiederum sind eine Übertragung, die weit über das Übertragen hinausgeht, wie eine Neuschöpfung. Zimmermann hat die Idee der „Dialoge“ übernommen, aber das Stück ist in der Reduktion auf zwei Klaviere nicht kleiner, sondern viel größer geworden.

Martin Wilkening: Was bedeutet die Entwicklung von den „Monologen“ zu den „Dialogen“ spieltechnisch gesehen?

Götz Schumacher: Natürlich ist das Stück viel virtuoser geworden, rein pianistisch gesehen viel anspruchsvoller. In den 17 Minuten der Dialoge sind die Pianisten unmittelbar auch nur gut die Hälfte der Zeit beschäftigt, und sind oft nur mit Farben einfach dabei, denn das ist ja das Entscheidende an diesem Stück, das dialogisierende Hin und Her zwischen den Soloinstrumenten, in die das Orchester hier aufgeteilt ist – eigentlich sind die beiden Klaviere hier wirklich zwei von insgesamt hundert Soloinstrumenten. In den „Monologen“ übernehmen die Klaviere sämtliche Rollen. So gibt es auch viel mehr Clusterklänge, die an den „Dialogen“ als Unterarm-Cluster nur an wenigen Stellen erscheinen.

Martin Wilkening: Und die konzeptionellen Unterschiede?

Götz Schumacher: Die „Monologe“ sind in fünf Abschnitte eingeteilt, die „Dialoge“ in sieben, von denen der erste und der letzte reine Orchestersätze sind. Aber vor allem hat Zimmermann den Block von Zitaten, die in den „Dialogen“ im fünften Abschnitt konzentriert sind, in den „Monologen“ auf das ganze Stück verteilt: den gregorianischen Choral, Mozarts Klavierkonzert C-Dur, Debussys „Jeux“, Olivier Messiaen und ein Jazz-Element. Schon nach zweieinhalb Minuten gibt es einen großen Zitate-Abschnitt. Diese Zitate erscheinen immer in Kombinationen, also nie ein Zitat alleine.

GrauSchumacher Piano Duo (c) Astrid Ackermann
GrauSchumacher Piano Duo © Astrid Ackermann

Martin Wilkening: Wie haben Sie Zimmermanns Musik als junger Mensch kennengelernt?

Götz Schumacher: Die erste Begegnung mit dieser Musik war eher zufällig, und das war nicht die Klaviermusik. In der Zeit, als ich in Stuttgart studiert habe, gab es eine Aufführungsserie der „Soldaten“, inszeniert von Harry Kupfer mit Bernhard Kontarsky am Pult. Da bin ich in eine der ersten Vorstellungen gegangen und ab diesem Mal in jede weitere der Spielzeit, weil ich so fasziniert war von dieser Musik. Das war die Zeit, wo wir als Klavierduo angefangen hatten, Stockhausens „Mantra“ zu spielen. Zimmermanns Musik tauchte, abgesehen von der Oper, zu unserer Studienzeit so gut wie nie im Konzert auf. Aber kurz danach hatten wir dann die Chance, zum ersten Mal die „Dialoge“ zu spielen, und dann haben wir angefangen, uns mit den „Monologen“ und auch den „Perspektiven“, seinem ersten Werk für zwei Klaviere, zu beschäftigen. Das war ein schöner Einstieg über die „Dialoge“, denn die Herausforderung durch die „Monologe“ ist sicher größer, weil man auch das Orchester darstellen muss. Zu wissen, von woher dieses Stück, der ganze Werkkomplex kommt, war eine große Hilfe, ebenso, wie die „Soldaten“ schon im Ohr zu haben.

Martin Wilkening: Worin besteht die Herausforderung der „Dialoge“?

Götz Schumacher: Aus der Geschichte heraus ist ein Problem natürlich die Orchesteraufstellung, bei der die Instrumentalgruppen vollständig aufgelöst werden, und jeder Musiker für sich sitzt, ein Bläser etwa neben einer Violine. Das haben nicht alle Dirigenten immer ganz streng beachtet, aber es entspricht Zimmermanns Forderung eines sich potenzierenden Dialogisierens, bei dem jeder zum Solisten wird. In den sechziger, siebziger Jahre haben sich die Orchester dagegen gewehrt, und diese Einstellung hat sich, mehr als Gerücht von Schwierigkeiten, noch lange gehalten. Heute ist es gar keine Frage mehr, ob das geht oder nicht. Die Orchester freuen sich sogar, mal anders sitzen zu können, das weckt geradezu Begeisterung, schon bei den Proben. Es gibt beispielsweise eine Stelle mit fünf Flöten, die quer über die ganze Bühne verteilt sind und unisono zu spielen haben, mit einem komplizierten Rhythmus. Und heute geht das nicht nur, sondern alle merken, dass es sich lohnt. So entsteht ein schwebender Klang, der anders nicht realisiert werden kann, es ist eine große Fläche in Bewegung, in der der einzelne Klangmoment nicht ganz zu orten ist und trotzdem eine unglaubliche Klarheit herrscht. Das ist das Traumähnliche, und das ist auch die große Nähe dieser Musik zu Debussy. Beide Werke sind ja eine Hommage an Debussy, und das nicht nur durch die Zitate, sondern durch die Vorstellung, einen großen Klangraum in Bewegung zu bringen.

Ausschnitte aus einem Gespräch zwischen Martin Wilkening und Götz Schumacher im Juli 2018 in Berlin.

Weitere Informationen zum Konzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Brad Lubman am 14. Dezember 2018 ab 19 Uhr.

Weitere Informationen zur Late Night mit dem GrauSchumacher Piano Duo am 14. Dezember 2018 ab 22 Uhr.


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Schlagwörter

GrauSchumacher Piano Duo Late Night


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