Komponisten & Werke
Leben und Schaffen von Bernd Alois Zimmermann
Zum 100. Geburtstag von Bernd Alois Zimmermann präsentiert die musica viva am 14. Dezember 2018 in einem Konzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks dessen "Sinfonie in einem Satz", die "Dialoge" und in einem anschließenden Late Night Konzert die "Monologe" mit dem GrauSchumacher Piano Duo. Der Berliner Musikkritiker Martin Wilkening hat für die musica viva ein Bild des Lebens und Schaffens des 1970 verstorbenen Komponisten skizziert.
Jubiläen bieten allzu oft nur einen äußerlichen Anlass, die Musik der Gefeierten wieder einmal auf das Konzertprogramm zu setzen. Bei Bernd Alois Zimmermann ist das anders. Sein Werk, das in sich von einer Faszination des Widersprüchlichen ist, erzeugt bis heute sehr unterschiedliche Wahrnehmungen und Wertungen und beweist sich so in seiner Lebendigkeit. Zimmermanns Schaffen fällt in die 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, eine Zeit sowohl der kompositorischen Aufbrüche als auch der Dogmen. Zimmermann hat sich nie einer allein selig machenden Schule angeschlossen, aber er war mit dem avancierten Musikdenken seiner Zeit stets auf Augenhöhe, hat, nach einer neoklassizistischen Studienorientierung und der nachgeholten Aneignung der Reihentechnik, serielle Verfahren auf ebenso selbstverständliche Weise eingesetzt wie Collagen und Montagen, bis hin zum Happening. Gleichzeitig aber bleibt seine nach Universalität strebende Musik einem bildungsbürgerlichen Hintergrund verpflichtet, der in denkbar großer Ferne etwa zu den Jazz-Elementen steht, die dennoch in manchen Stücken erscheinen. Es gibt literarische Stoffe, die wie ein roter Faden fast sein ganzes wortaffines kompositorisches Schaffen begleiten, allen voran der biblische Liber ecclesiastes (nach Luther: Der Prediger Salomo). Zimmermanns Musik sucht stets den Menschen und die Menschheit. In dem existentiell getönten Humanismus ihrer Stoffe und Ausdruckswelten changiert die Einbindung avantgardistischer Verfahren und Formen zwischen innerer Öffnung, ironischer Distanz und dem bewussten Einlassen des Zerstörerischen.

Monologe und Dialoge
Vielleicht ist es die große Stärke von Zimmermanns Musik, dass sie das Suchende und Fragende auch über die Zeiten hinweg behält, ihre Zweifel und ihre Offenheit. In Stücken wie den Monologen und Dialogen, die jetzt zusammen mit der frühen Sinfonie in einem Satz bei der musica viva aufgeführt werden, kann man, aus der Perspektive der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts heraus, so etwas wie einen Vorgriff auf unsere Zeit der totalen Kommunikation und des unbegrenzten Informationsflusses erkennen, ebenso wie die Beschwörung jener Augenblicke, wo sich aus Kommunikation heraus tatsächlich Botschaften kristallisieren, wo aus zirkulierenden Monologen Dialoge werden, die sich wiederum auflösen, um sich beständig weiter zu vernetzen. Und ein Stück wie die Sinfonie in einem Satz, deren 1952 entstandene Urfassung erst wieder entdeckt werden musste und trotz einer jüngeren CD-Einspielung im Konzertsaal kaum bekannt ist, lässt sich in ihrer Ausdruckswucht und der bewussten unakademischen Unreinheit ihrer Sprache heute, in einer Zeit der Post-Postmoderne, viel unbefangener aufnehmen als während der musikalischen Grabenkämpfe um die Möglichkeiten subjektiven Ausdrucks, die noch auf Jahrzehnte einen langen Schatten warfen.
Die geschichtliche Distanz ist im Falle Zimmermanns aber auch hilfreich, um der allzu simplen Vorstellung einer Spiegelung von Kunst und Leben begegnen. Im zeitlichen Abstand beweisen die Werke ihre eigene Kraft, auch wenn in ihnen Biografisches ganz sicher eingeschrieben ist. Die Kompositionen seiner letzten Lebensjahre deuten alle auf Wendepunkte oder Endpunkte. Dass Zimmermann seinem Leben im August 1970 selbst ein Ende setzte, lässt sich von der pessimistischen Aussage vieler seiner Stücke nicht trennen, aber es erschöpft sie nicht.

Leben und Werk
Der Ton des Schreckens und der Angst bewegte Zimmermanns Musik seit ihren Anfängen, jedenfalls von dem Moment an, als ihm mit der Sinfonie in einem Satz nach eigener und späterer Einschätzung seine »wohl bisher wesentlichste Ausdrucksfindung« gelang. Ganz jung war Zimmermann damals nicht mehr. Er gehörte zu einer Generation, der wichtige erste Entfaltungsmöglichkeiten durch die Nazi-Zeit und die Kriegsjahre geraubt worden waren und die sich im Jahrzehnt nach 1945 eingeklemmt fand zwischen den Älteren (wie Hindemith, Orff oder Wolfgang Fortner) und den Jüngeren (wie Stockhausen, Boulez oder Nono). Aus jener Zeit des Aufbruchs in den Serialismus stammt Zimmermanns bekannte Selbstbeschreibung als »ältester der jungen Komponisten«.
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In einem Brief von 1956 reflektierte Zimmermann noch einmal sein inneres Erleben dieser Zeit in Bezug auf die Sinfonie in einem Satz: »Die Sinfonie entstand in der Nachkriegszeit, in einer Zeit der Niederbrüche … Es gab kein Entrinnen; Ungeborgenheit, Unsicherheit, Angst: Symptome, die nicht zu übersehen waren, all das drängte zur Darstellung.« Die Sinfonie in ihrer ungeglätteten Erstfassung zeigt, wie offensiv Zimmermann mit solchen Gefühlen umging, wie ein auf das äußerste gespannter Ausdruck zur Herausforderung strukturell vermittelter Gestaltung wird und wie sich Ausdrucks- und Formwille aneinander abarbeiten.
Den vollständigen Artikel finden Sie in der Sonderveröffentlichung der musica viva des Bayerischen Rundfunks, welche der Neuen Musikzeitung vom September 2018 beiliegt.
Weitere Informationen zum Konzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Brad Lubman am 14. Dezember 2018 ab 19 Uhr finden Sie auf www.br-musica-viva.de.
Weitere Informationen zur Late Night mit dem GrauSchumacher Piano Duo am 14. Dezember 2018 ab 22 Uhr finden Sie auf www.br-musica-viva.de.
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