Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Vimbayi Kaziboni

Freitag, 17. Februar 2023 | Herkulessaal der Residenz München | 20.00 Uhr

Einführung: 18.45 Uhr mit Michaela Fridrich

iCal

Brass - Scelsi - Thomalla © LMN Berlin
Programm

Giacinto Scelsi [1905–1988]

Quattro pezzi su una nota sola
für Orchester [1959]

Nikolaus BRass [*1949]

In der Farbe von Erde
Musik für Viola, 44 Streicher und zwei Schlagzeuger [2021]

Kompositionsauftrag der musica viva des Bayerischen Rundfunks
Uraufführung

Hans Thomalla [*1975]

…the Brent geese fly in long low wavering lines…
Konzert für Orchester [2021]

Kompositionsauftrag der musica viva des Bayerischen Rundfunks
Uraufführung


Mitwirkende

Tabea Zimmermann Viola

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Vimbayi Kaziboni Leitung

Zoro Babel Klangregie


Zum Programm

Giacinto Scelsi leuchtete das Obertonspektrum des Einzeltons in geradezu obsessiver Weise aus: in mächtigen Klangstrom-Kompositionen, die im Raum schwanken, wie Plasma beben und Tiefe und Dicke zu haben scheinen. »Der Klang«, bekannte er, »ist die erste Bewegung des Unbeweglichen. Dies ist der Anfang der Schöpfung.« Seine bahnbrechenden Quattro pezzi per orchestra von 1959 beschränken sich auf jeweils nur einen einzigen Ton, der mit mikrotonalen Schwankungen, Oktavtranspositionen und Obertönen abschattiert wird: klingende Säulen von unterschiedlich zusammengesetzten Spektren in schillernder Intensität, voller Dramatik und Pathos, gemischt mit meditativer Ruhe.

Das Kreisen in einem akustischen Raum ist auch ein Merkmal vieler Werke von Nikolaus Brass, in denen die musikalischen Ereignisse in einer zirkulären Ordnung präsentiert werden: »Meine Musik geht selten von A nach B. Ich liebe Zustände, wo von A bis F alles gleichzeitig da ist, und man wandert in seinem Bewusstsein von da nach dort und wieder zurück und es gibt keine eindeutige Progression.« Der Premiere von Brass’ In der Farbe von Erde für Viola, 44 Streicher und zwei Schlagzeuger folgt die von Hans Thomalla …the Brent geese fly in long low wavering lines…, der in seinen Partituren zwanglos Avantgarde-Klänge, Minimal-Passagen und geräuschhafte Klangflächen aufeinandertreffen lässt. In dem rund halbstündigen Orchesterwerk spürt der in Chicago lebende Komponist den transitorischen Spuren der Zugvögel und ihrer unerschöpflichen Energie nach: mit Musik, die in ständiger Bewegung die Gesetze der Schwerkraft auszuhebeln scheint.


Werkkommentar von hans Thomalla

 … the Brent Geese Fly in Long Low Wavering Lines … ist eine Studie über Kollektivität. Die Kollektivität eine Orchesters, in dem ein winziges Motiv im hinteren Pult der Violinen seinen Anfang nimmt um weitergereicht zu werden zu einer benachbarten Instrumentengruppe, um sich zu sich verdichten, und um schließlich durch den gesamten Klangkörper zu wandern während es sich kontinuierlich verändert; in dem sich Harmonien durch langsam hinzukommende Stimmen allmählich aufbauen oder rhythmische Figuren gemeinsam gestaltet werden durch die Verzahnung einer Figur mit einer anderen, wo sich eine Instrumentengruppe mit einer anderen zu einem neuen Klang verbindet. Hinter diesen naheliegenden Verkörperungen von Kollektivität, die ein modernes Orchester mit sich bringt, klingen andere Aspekte des Begriffes durch. Auf der einen Seite eine unterschwellige Gewalt, die sich nie ganz davon trennen lässt. Auf der anderen Seite der fast tranceartige Zustand eines sich verlierenden Ichs, das im losgelösten Strom der Klänge und Harmonien, in einer sich immer langsamer artikulierten Zeit dahintreibt.

Der Titel des Stückes ist der Anfangszeile von Juliana Spahrs Gedicht Transitory, Momentary entlehnt – ein Text, den ich mitten im Kompositionsprozess entdeckt habe, und der selbst durch seine Form und die Geschichte, die er erzählt, zu treiben scheint: Von der Beschreibung einer Schar Vögel am Himmel hin zur Bewegung eine Gruppe von Demonstranten in einem Park in San Francisco; von der Schilderung der Teile eines Songs hin zu den kollektiven Gefühlen, mit denen diese Teile uns verbinden. Und im Laufe dieser scheinbar ziellos treibenden Schilderungen bilden sich langsam Fragen heraus, die uns der Text stellt: Wo verorten wir uns in eine spätkapitalistischen Gesellschafft? Was ist mit uns und unseren Gefühlen geschehen? Und in welcher Form sind diese Gefühle heute eine kollektive Erfahrung?

Hans Thomalla, Januar 2023

Programmheft

Fotos aus der Probe
Vimbayi Kaziboni bei der Probe @ Astrid Ackermann
Das musica viva-Konzert am 17. Februar 2023 wird geleitetet von Vimbayi Kaziboni.
Probe des BRSO @ Astrid Ackermann
Es spielt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Tabea Zimmermann bei der Probe @ Astrid Ackermann
Solistin des Abends ist Bratschistin Tabea Zimmermann, die in der Saison 2022/23 Artist in Residence beim BRSO ist.
Das Instrument „Singende Säge“, gespielt von Katharina Micada.
Hans Thomalla @ Astrid Ackermann
Auf dem Programm des Abends stehen unter anderem zwei Uraufführungen: … the Brent geese fly in long low wavering lines … von Komponist Hans Thomalla ...
Nikolaus Brass @ Astrid Ackermann
… und In der Farbe von Erde von Komponist Nikolaus Brass.
Mehr zum Programm
Vimbayi Kaziboni - Interview in Bildern © Astrid Ackermann

Interview in Bildern mit Vimbayi Kaziboni

Fotografin Astrid Ackermann traf Vimbayi Kaziboni am Tag vor Probenstart für ein Interview in Bildern und hat mit ihm unter anderem über seine Heimat Zimbabwe und über das Dirigieren gesprochen.

Zum Blog-Beitrag

Nikolaus Brass © BR\Astrid Ackermann

Die Farben der Erde zum Klingen gebracht

Max Nyffeler über In der Farbe von Erde Musik für Viola, 44 Streicher und zwei Schlagzeuger von Nikolaus Brass.

Zum Blog-Beitrag

Hans Thomalla © Astrid Ackermann

Interview mit Hans Thomalla

Hans Thomalla spricht im Interview mit Leonie Reineke über seine Komposition …the Brent geese fly in long low wavering lines…

Zum Interview

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