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Uncertainty of Outcome

27.09.19 | Vera Hefele / Sarah Weissberg

Der neue Newsletter der musica viva. Ein Interview über die Marke „musica viva“ und die neue digitale Kommunikationsstrategie.

Zur neuen Spielzeit schlägt die musica viva einen neuen digitalen Weg ein und folgt damit neben ökonomischen wie ökologischen Gedanken auch einem zeitgemäßen Ansatz. Ab Oktober 2019 wird sich der bislang postalische Info-Versand zu den Konzerten mit einem monatlich erscheinenden Newsletter ins Digitale verlagern. Vera Hefele im Gespräch mit Sarah Weissberg, Leiterin des BR Klangkörper Marketing, über die Marke „musica viva“ und die neue digitale Kommunikationsstrategie.

Vera Hefele: Was zeichnet für Sie die Marke ›musica viva‹ aus und welche Besonderheiten bringt die Kommunikation für eine Konzertreihe zeitgenössischer Musik mit sich?

Sarah Weissberg: Die musica viva definiert sich vor allem durch ihre Programmatik. Für den Bayerischen Rundfunk ist die Konzertreihe in ihrem über 70-jährigen Bestehen in mehrfacher Hinsicht besonders: Sie ist innerhalb des ARD-Verbunds die einzige Konzertreihe mit ganzjährigem Spielbetrieb und erfüllt auch unter anderem durch die Aufführung noch ungehörter Musik den ureigenen Programmauftrag der Rundfunkanstalt. Im Kanon der Rundfunk-Klangkörper hat sich die musica viva als wichtige Größe der zeitgenössischen Musik etabliert und auch aus Markensicht ist ein Aspekt interessant: Beim Kauf einer Konzertkarte weiß man nicht, was man bekommt – und kann sich dennoch sicher sein, überrascht, aber nicht enttäuscht zu werden.

Auch in anderen Disziplinen wie z.B. dem Sportmarketing kennt man diese Besonderheiten. Das Prinzip der Uncertainty of Outcome – also einer charakteristischen Ungewissheit über den Ausgang einer Veranstaltung – definiert die Nachfrage des Produkts. Ein ähnliches Phänomen lässt sich bei den Konzerten der musica viva beobachten. Wir bewerben Veranstaltungen, ohne (in den meisten Fällen) konkrete Informationen zu Klang oder Stimmung des Konzerterlebnisses geben zu können. Und genau das macht den Reiz aus: mit hoher Wahrscheinlichkeit wird man von Ergebnis, Wirkung und Inhalt des Programms überrascht werden. Gleichzeitig hat es die musica viva durch ihre hochkarätigen Gäste, deren künstlerische und musikalische Qualität geschafft, sich als wichtige Plattform und Qualitätssiegel für Neue Musik zu etablieren. Sie überzeugt, indem sie ihr Qualitätsversprechen hält und formt daraus ihr Markenbild. Diese Neugier und Experimentierfreude spiegelt sich auch in der Bereitschaft des Publikums, die stetige Weiterentwicklung der Inhalte Schritt für Schritt zu begleiten. Ich finde es schön zu sehen, dass die musica viva ein Publikum hat, das diesen Weg mitgeht und sich auf dieses Wagnis einlässt – das zeugt für mich von tiefem Vertrauen in die Marke. Zudem finde ich den Brückenschlag innerhalb der Klangkörper wunderbar: Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und der BR-Chor zeigen in der Zusammenarbeit mit der musica viva vielseitige Facetten ihrer Arbeit und ihrer exzellenten Qualität. Durch ihre Mitwirkung in der Konzertreihe entsteht hier eine wunderbare Verzahnung für den Bayerischen Rundfunk.

Hefele: Wie gelingt es, diese Markenwerte zu transportieren?

Weissberg: Der starke inhaltliche Markenkern manifestiert sich auch in der charakteristischen grafischen Gestaltung der musica viva und spiegelt des Alleinstellungsmerkmal in der Außenwirkung wider. Sie folgt auf den ersten Blick keiner Konstante, erfindet sich immer wieder neu – und findet genau da ihren Wiedererkennungswert. Die Marke ›musica viva‹ hat sich seit den Neunzigern vor allem durch die Gestaltung der Printprodukte durch Günter Karl Bose in Form von Plakaten, Broschüren und Flyern sehr stark positioniert. Auch mit ihren Printpublikationen unterstreicht die musica viva, durch die Haltbarkeit der Produkte, durch ihr Nachwirken, eine hohe Wertigkeit. Damit sind Erinnerungen mit dem Konzert, vielleicht durch ein Autogramm, eine Notiz, verbunden, die nur durch ein haptisches Produkt Bestand hat. Die Klammer entsteht also in vielerlei Hinsicht durch eine Kontinuität der Weiterentwicklung. In der Programmatik wie in der grafischen Gestaltung. Das ist für mich das Besondere an der musica viva.

Die Haptik der Erinnerung – musica viva Werbekarten der Jahre 2006-2010, eingesendet von einer langjährigen Abonnentin.

Hefele: In den letzten Monaten hat das Team an einigen Neuerungen und Serviceverbesserungen gearbeitet. Warum diese Veränderungen und was darf unser Publikum erwarten?

Weissberg: Zeitgenössische Musik erfordert meiner Ansicht nach auch zeitgemäße Kommunikation. Wir wollen uns verstärkt auf das Digitale konzentrieren und haben in den letzten Wochen intensiv an der Optimierung der Kanäle gearbeitet. Dabei ist es mir ganz wichtig, eben jene Botschaft zu betonen: Bei allem Fortschritt und allen Entwicklungen dürfen wir das Wesentliche, den Kern der Marke, nicht vergessen: Die musica viva definiert sich durch ihre Inhalte – in künstlerischer wie in vermittelnder Hinsicht, in Print wie im Digitalen. Dabei achten wir darauf, den roten Faden weiterzuspinnen, sodass sich alle Medien ergänzen und nicht ausschließen. Auf dieser Basis wählen wir für unser Marketing einen stark Content-getriebenen Ansatz. Das beginnt bei den hochwertigen Programmheften, der Zeitung der musica viva und soll sich nun auch im digitalen Raum fortsetzen. Ganz konkret bieten wir ab Oktober 2019 einen Newsletter an, der das Publikum mit relevanten Informationen versorgt, neue Denkanstöße gibt und dabei über den eigenen künstlerischen Tellerrand hinausblickt.

Ich denke, das entspricht der musica viva ziemlich gut: ein qualitätsvoller inhaltlicher Kern, der in der Kontinuität Weiterentwicklung erfährt, dabei vernetzt und verbindet. Wir suchen den Dialog mit unseren Zuhörern auch über digitale Wege und nutzen die speziellen Möglichkeiten der Kanäle dafür, um aktiv auf unser Publikum zuzugehen. Der Newsletter soll ein monatlicher Wegweiser sein, über den wir uns den Freund*innen der musica viva aktiv annähern. Dabei fassen wir über dieses Instrument unsere Inhalte, die in Printprodukten, aber auch auf der Website und dem Blog zu finden sind zusammen, und weisen per Linkklick den Weg zur Vertiefung. Wir statten die Leser*innen mit Wissen aus und bieten so eine neue Form der Vermittlung. Das Content Marketing, also die Vermarktung der Inhalte und die Vermittlung der künstlerischen Ideen, liegt mir sehr am Herzen. Das soll auch im digitalen Raum entsprechende Verbreitung finden.

Hefele: Wir haben uns bei der Wahl des Kommunikationskanals bewusst für einen Newsletter und gegen Social Media entschieden …

Weissberg: Im Marketingbüro beobachten wir, was gerade am digitalen Markt passiert und wie neue Trends sinnvoll in die Welt der Klassik oder der Neuen Musik übersetzt werden können. Die Marke ›musica viva‹ lebt wie zuvor erläutert durch die Qualität ihrer Inhalte – jener Content, den wir bereitstellen wollen, muss entsprechend seinen Anforderungen verarbeitet werden. Dabei spielt auch die Quantität eine wichtige Rolle. Soziale Netzwerke leben durch die konstante, tägliche Bespielung mit Inhalten. Dieser Anforderung können wir nicht nachkommen, ohne die Informationen zu verdünnen, gar zu verwässern. Die Inhalte der musica viva funktionieren punktuell und fokussiert, bezogen auf das Konzerterlebnis und seinen Hintergrund. Durch das Medium Newsletter können wir einerseits die von uns erstellten Inhalte optimal aufbereiten und kommen so auch den Wünschen der Interessenten näher.

Hefele: Neben dem neuen Newsletter wird es aber noch weitere Veränderungen geben. Wie sehen sie konkret aus?

Weissberg: Auch die Website und der Blog der musica viva erfreuen sich eines neuen Anstrichs. Auf Basis von Analysen des Nutzerverhaltens haben wir die Seiten optimiert und überprüft, welche Inhalte konsumiert werden. Darüber hinaus haben wir uns wichtigen Fragen gewidmet: Wie bewegen sich Nutzer*innen auf der Website? Wieviele Klicks sind nötig, um zum gewünschten Inhalt zu gelangen? Daraus haben wir Rückschlüsse auf die Bedürfnisse des Publikums gezogen und versuchen das Angebot in diesem Bereich stetig ausbauen. Auf der Website soll Kund*innen vor allem schnell an alle relevanten Informationen gelangen: Wann und wo findet das nächste Konzert statt? Welches Programm beinhaltet es? Und natürlich soll man schnell und bequem an Tickets gelangen – und kann diese ab sofort auch gleich zuhause ausdrucken.

Hefele: Was gilt es dabei besonders zu beachten?

Weissberg: Ich denke, dass uns der digitale Raum neue und breitere Möglichkeiten gibt, die Bedürfnisse unseres Publikums noch präziser zu erfüllen. Hier können wir uns zeitgemäß weiterentwickeln. Die digitale Kommunikation bringt aber auch neue Gesetze mit sich. Sie sind wichtig, um den Umgang mit unseren Daten und sich ändernden Kommunikationsformen zu regulieren. Das ist uns ein großes Anliegen, mit dem wir uns auch intensiv beschäftigen. Wir wollen für unsere Nutzer*innen relevant sein und mit persönlichen Daten – dazu zähle ich im Jahr 2019 auch eine Mail-Adresse – sehr bewusst umgehen. Service und Informationen sind nur so lange relevant, so lange sie in der passenden Form angeboten werden. Dabei wollen wir ganz aktiv an alle Interessierten herantreten, die aktuell per Post Informationen der musica viva erhalten. Über den Newsletter erhalten unsere Interessenten alle Informationen, die bisher per Post verschickt wurden und das in regelmäßigen Abständen, immer zum Monatsersten. Diesen Weg können wir stetig – gemeinsam mit den Nutzer*innen – verbessern und dadurch wirtschaftlicher, ökonomischer und nachhaltiger sein, denn wir haben hier auch eine Verantwortung gegenüber den Beitragszahler*innen. Auch hinsichtlich eines verantwortungbewussten Umgangs mit deren Daten. Ich freue ich mich sehr darüber, dass auch die grafische Gestaltung diesen Schritt begleitet. So können wir weitergehen, ohne das, was sich für uns als relevant herauskristallisiert hat, verlieren. Das entspricht für mich auch dem Geist der musica viva.


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