Patrick Hahn über den Komponisten Georges Aperghis

Mit seiner Musik spricht Georges Aperghis stets über die Gegenwart. Er tut dies nicht auf journalistisch-zeitgeistige Weise; er nähert sich dem Hier und Jetzt mit der forschenden Neugier des Archäologen. Der Blick des heute 70-Jährigen erkennt die Gegenwart als eine ruinierte – und treibt sein kindliches Spiel mit den Resten, die sich ihm entgegenstrecken. Vielleicht ist diese Perspektive zwangsläufig für jemanden, der im Schatten der Akropolis aufwuchs: In Athen, in einer schmalen Gasse aus gestampfter Erde mit ihrem alltäglichen Straßentheater, untermalt von rhythmischen Hammerschlägen auf Bronze aus einem nahe gelegenen Bildhaueratelier – dort ist die akustische Urszene von Aperghis’ Komponistenbiografie anzusiedeln. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie der Sohn einer Malerin und eines Skulpteurs die Vorgänge in seiner Strasse mit leicht zusammengekniffenen Augen und weit geöffneten Ohren beobachtet, in sich aufsaugt und innerlich neu zusammensetzt: wie sich die Laute aus den Höfen und Häusern zu einer außergewöhnlichen Polyphonie des Alltags verbinden.

Patrick Hahn (2015)

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