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Grafiker Günter Karl Bose: Ausstellung und Interview

11.10.18 | Hendrik Müller

Seit 20 Jahren arbeitet der Gestalter Günter Karl Bose mit der musica viva-Konzertreihe des Bayerischen Rundfunks zusammen. Derzeit läuft seine erste Museumsausstellung in Hamburg. Die Veröffentlichung des Buches „for musica viva/für musica viva. Posters / Plakate 1997-2017“ bei Spector Books im letzten Jahr war Anlass für ein Gespräch, das Hendrik Müller mit ihm führte.

Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Vom 5. Oktober 2018 bis 6. Januar 2019 zeigte das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) in Günter Karl Boses erster Museumsausstellung etwa 140 seiner Arbeiten und vermittelt einen umfassenden Eindruck vom Werk des Berliner Grafikers. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Arbeiten für die musica viva des Bayerischen Rundfunks.

Interview mit Günter Karl Bose

Hendrik Müller: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der musica viva und was fasziniert Sie daran?

Günter Karl Bose: Ich habe 1996 mit Studenten der Leipziger Akademie ein neues grafisches Erscheinungsbild der Leipziger Oper entwickelt. Intendant der Oper war damals Udo Zimmermann. Als ihm die Leitung der musica viva angetragen wurde, fragte er mich, ob ich Lust hätte, die Grafik für die Konzertreihe zu machen. Ich habe nicht gezögert, die Arbeit zu übernehmen. Mir gefiel die Programmatik von Karl Amadeus Hartmann, der ja die Reihe nachhaltig geprägt hat. Seine Vorstellung von der Musik als einer Sprache der Gegenwart hat mich fasziniert. Ich habe das über die Jahrzehnte hinweg als eine Einladung verstanden. Meine Aufgabe würde sein, eine gegenwärtige Sprache zu finden für die Ankündigung der Konzerte und die dazu gehörigen Programmhefte.

 

Grafiker Günter Karl Bose (Ausschnitt Automatenfoto)

Müller: Man sagt, die Musik entstehe zwischen den Noten. Entsteht die Botschaft zwischen den Zeichen?

Bose: Nein. Nein. Plakate sollen keine Rätsel aufgeben. Die Botschaft steht nicht zwischen den Zeilen. Es heißt immer, an diesem Tag findet dort ein Konzert mit Werken dieser Komponisten oder Komponistinnen statt. Es wird dieses Orchester spielen, usw. Da bleibt nichts unbestimmt. Allerdings – die Wahl der Schrift, ihre Größe, Farbe und Anordnung, die verwendeten Bilder auf dem Plakat lassen durchaus Spiel zur Interpretation. Man wird bestimmten Formen, oder besser, einer bestimmten Sprache immer wieder begegnen, einer Sprache, die sich stets neu artikuliert.

Müller: Sie stehen also vor der Aufgabe, eine zukünftige Leistung, das Konzert, für eine gegenwärtige Wahrnehmung zu gestalten…

Bose: Natürlich lässt sich Musik illustrieren. Das ist häufig versucht worden. Meist ergibt sich daraus eine Sprache für die man dann einen Schlüssel braucht, um den Code der Übersetzung zu verstehen. Plakate sollen und müssen unmittelbar wirken. Sie können, wie Kurt Schwitters einmal gesagt hat, unter Umständen Kunst sein. Dann geht es wohl tatsächlich darum, zwischen den Zeilen zu lesen. Da gibt es dann einen Mehrwert, der einen zweiten Blick lohnend macht. Vielleicht auch nach Jahrzehnten noch.

 

Müller: Musik ist eine Zeitkunst, sie hat einen Puls, kann die Zeitwahrnehmung verlangsamen oder beschleunigen. Gibt es Parallelen zu Ihren Arbeiten?

Bose: Wer ein Konzert besucht, eine Karte dafür kauft, möchte Musik hören. Er mag später vielleicht enttäuscht über den Besuch sein, aber zunächst ist da eine positive Stimmung und die Bereitschaft ist da, sich selbst und der Musik Zeit zu schenken. Wenn wir über Grafik sprechen und über Plakate, ist die Situation völlig anders. Niemand bemüht sich, sie zu sehen und dennoch hängt der Erfolg von Plakaten gerade davon ab, dass sie gesehen werden. Es geht um Aufmerksamkeit. Plakate sollen heute wahrgenommen werden, in diesem Moment, nicht erst morgen. „Who wants yersterday‘s papers? – Nobody in the world.“ Wir müssen also nach Mitteln und Formen suchen, die in der diffusen Situation am Straßenrand, auf Plätzen, an Säulen oder auf Wänden wahrgenommen werden. Dafür ist eine hohe Intensität der grafischen Sprache notwendig. – Alles muß jetzt passieren. In diesem Augenblick!  Eine zweite Chance gibt es selten.

Und natürlich – wenn wir über Wirkung, oder besser Nachwirkung, sprechen, kommt noch einmal die Zeit ins Spiel. Bilder prägen unser Gedächtnis nachhaltig, wie ja auch die Musik bis tief ins Unbewusste vordringt. Dennoch: Bilder, Grafiken existieren durch ein Nebeneinander der Formen, nicht durch ihre zeitliche Abfolge, wie wir das ja vom Film kennen. Man kann durchaus von grafischen Kompositionen sprechen. Es ist aber eine Arbeit auf der Fläche. Teile davon mögen von Elementen bedeckt sein, andere nicht. Diese mögen nach Größe und Lage verschieden sein. Sie stehen zueinander in Beziehung, es gibt Kontraste oder Entsprechungen usw. Es bleibt aber ein Nebeneinander, kein Nacheinander. Winrich Hopp hat das in seinem Vorwort zum „Plakatbuch“ so formuliert: „Ereignisse für die Augen, die Ereignisse für die Ohren ankündigen. Man könnte von visuellen Konzerten sprechen.“ Das ist ein schönes Kompliment und trifft genau meine Intentionen. Hopp hat noch einen anderen Aspekt hervorgehoben. „Den Augen wird nicht verraten, was die Ohren zu erleben bekommen“, schreibt er. Es werden also Erwartungen geweckt. Und es wird eine Einladung zu einem besonderen Ereignis ausgesprochen, auf das man sich freuen kann. Damit wären wir noch einmal bei der Zeit. Und bei dem Datum, das groß und deutlich auf jedem der Plakate für die musica viva steht.

Da geht es um die Aktualität  eines Konzerts, die Gegenwärtigkeit der Musik und den auratischen Moment des Dabeiseins.

musica viva Plakat von 2001 (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von Grafiker Günter Karl Bose (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von 2002 (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von Grafiker Günter Karl Bose (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von 2005 (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von Grafiker Günter Karl Bose (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von 2006 (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von Grafiker Günter Karl Bose (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von 2006 (c) BR/musica viva, G. K. Bose

Müller: Was hat Sie früher für Ihre Arbeiten inspiriert und was inspiriert Sie heute?

Bose: Inspirierend sind für mich immer wieder die Arbeiten der Künstler und Künstlerinnen des russischen Konstruktivismus, die von Alexander Rodschenko, Warwara Stepanova, El Lissitzki oder die der Brüder Georgii und Wladimir Stenberg, deren Kinoplakate einfach großartig sind. Tatsächlich aber treffen in meiner Vorstellung die verschiedendsten Bilder aufeinander. Es gibt keine eindeutigen Präferenzen. Manches bestimmt der Zufall. Einige der Bilder auf den bekanntesten Plakaten für die musica viva stammen aus einem Buch, das ich auf dem Flohmarkt gefunden habe. Es heißt „Europa versteht sich!“ Ein Bildwörterbuch aus den 1950er Jahren. Andere Bilder kommen aus meiner Fotosammlung.

Auch eine Quelle immer neuer Inspirationen. Inspirationen sind allerdings oft nicht mehr als eine Einstimmung auf die Gestaltung. Die Arbeit an Plakaten oder Programmheften ist neben der grafischen Idee eben auch vom Material und der konkreten Aufgabe geprägt. Da können Details eine sehr große Rolle spielen. Schließlich soll eine Menge Text in eine ansprechende grafische Form gebracht werden. Und es sollen Eintrittskarten verkauft werden.

musica viva Plakat von Grafiker Günter Karl Bose (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von 2008 (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von Grafiker Günter Karl Bose (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von 2010 (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von Grafiker Günter Karl Bose (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von 2011 (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von Grafiker Günter Karl Bose (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von 2016 (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von Grafiker Günter Karl Bose (c) BR/musica viva, G. K. Bose
musica viva Plakat von 2017 (c) BR/musica viva, G. K. Bose

Müller: Wenn Sie gerade nicht gestalten – womit beschäftigen Sie sich gerne? Hören Sie Musik?

Bose: Ich verzichte aufs Fernsehen. So bleibt mir einige Zeit. Fotografie spielt eine große Rolle für mich. Ich fotografiere gerne. Nicht nur, um die Bilder zu veröffentlichen. Und: Ich sammle Fotografien. Anonyme Fotos. Keine großen Namen. Das be­ginnt in der Frühzeit (um 1840) und endet in den 1980er Jahren. Die Sammlung ist Grundlage einiger meiner Bücher: 2011 Photomaton, 2013 Big Zepp, 2015 Stardust. Eben erscheint Bookish!. Eine Geschichte der Bücher und der Fotografie.

Ich lese viel und natürlich höre ich Musik. Meistens sind es Opern. Mozart immer wieder. Wagner manchmal. Aber auch Kammermusik. Schostakowitsch. Ich höre viel. Und es gibt wechselnde Konjunkturen. Manche Woche ist es Jazz, Miles Davis oder John Coltrane, dann sind es die Lieder von Robert Schumann. Das ist etwas unausgewogen. Es gibt auch Abende mit Lachenmann oder mit Rihm. Dazwischen drängen sich dann Bob Dylan, Simon & Garfunkel oder Aretha Franklin und viele andere.

Dieses Interview finden Sie in der Sonderveröffentlichung der musica viva des Bayerischen Rundfunks, welche der Neuen Musikzeitung von September 2017 beiliegt.

Günter Karl Bose, geb. 1951, ist Gestalter, Lehrer und Sammler. Er studierte Germanistik und Politikwissenschaft an der Universität Freiburg. Von 1980 bis 1995 war er Verleger in Berlin (Brinkmann & Bose). Seit 1993 ist er Professor für Typografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und leitet dort das Institut für Buchkunst. Er hat zahlreiche Bücher zur Kultur- und Mediengeschichte veröffentlicht, zuletzt „Stardust. Ein Kapitel aus der Geschichte des Gesichts“ (2015) und „Bookish! Ein Rückblick“ (2017).

Günter Karl Bose: for musica viva /für musica viva. Posters / Plakate 1997-2017, mit einem Vorwort von Winrich Hopp und einem Essay von Anita Kühnel, erschienen Spector Books (www.spectorbooks.com), Leipzig 2017, 32,- Euro; ISBN 978-3-95905-141-5


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